В Ленинграде конца 1970-х годов существовала оживленная неофициальная культурная сцена со своими точками общепита и мероприятиями. Здесь же познакомились писательницы-феминистки.

In Leningrad gab es Ende der 1970er-Jahre eine lebendige inoffizielle Kultur-Szene mit ihren eigenen Treffpunkten und Events. Hier lernten sich auch die feministischen Autorinnen kennen.

«То есть Андеграунд, культура наша, – не было у нас такого слова».

«Also Underground, so haben wir unsere Szene damals nicht genannt».

Галина Григорьева рассказывает о ленинградском андеграунде.

Galina Grigorjewa über den Leningrader Underground.

«[...] мое поколение, послевоенное поколение [...] – это первое советское поколение, которое совершенно не испытывало страха».

«[...] meine Generation, die Nachkriegsgeneration […] wir waren die erste sowjetische Generation die absolut keine Angst mehr hatte».

Татьяна Горичева рассказывает о том, как она стала частью второй культуры.

Tatjana Goritschewa erzählt, wie sie zur zweiten Kultur kam.

Юлия Вознесенская и неизвестная женщина на одной из квартирных выставок у Юлии Вознесенской; на стене: работы Валентина Самарина, 1974 г., Ленинград. / Julia Wosnessenskaja (rechts) und eine unbekannte Frau bei einer der Ausstellungen in Julia Wosnessenskajas Wohnung, an der Wand: Arbeiten von Valentin Samarin, 1974, Leningrad.
Юлия Вознесенская (справа) и неизвестная женщина на квартирной выставкe у Ю. Вознесенской, на стене: работы В. Самарина, 1974 г., Ленинград.
Julia Wosnessenskaja (rechts) und eine Unbekannte bei einer Ausstellung in J. Wosnessenskajas Wohnung, an der Wand: Arbeiten von V. Samarin, 1974, Leningrad.
Из архивов Исследовательского центра Восточной Европы при Бременском университете, Бремен, FSO 01-143. / Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, FSO 01-143.
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Владимир Окулов, муж Юлии Вознесенской, с приятелем в квартире Окулова и Вознесенской, на стене: художественные работы, 1970-е гг. / Wladimir Okulow, Ehemann von Julia Wosnessenskaja, hier mit einem Freund in seiner und Julia Wosnessenskajas Wohnung, an der Wand Kunstwerke, 1970er-Jahre.
Владимир Окулов, муж Юлии Вознесенской, с приятелем в квартире Окулова и Вознесенской, 1970-е гг.
Wladimir Okulow, Ehemann von Julia Wosnessenskaja, hier mit einem Freund in seiner und Julia Wosnessenskajas Wohnung, 1970er-Jahre.
Из архивов Исследовательского центра Восточной Европы при Бременском университете, Бремен, FSO 01-143. / Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, FSO 01-143.
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Георгий или Григорий Рыбак на квартирной вечеринке у Юлии Вознесенской и Владимира Окулова, 1970-е гг. / Georgij oder Grigorij Rybak bei einer Party in der Wohnung von Julia Wosnessenskaja und Wladimir Okulow, 1970er-Jahre.
Георгий или Григорий Рыбак на квартирной вечеринке у Юлии Вознесенской и Владимира Окулова, 1970-е гг.
Georgij oder Grigorij Rybak bei einer Party in der Wohnung von Julia Wosnessenskaja und Wladimir Okulow, 1970er-Jahre.
Из архивов Исследовательского центра Восточной Европы при Бременском университете, Бремен, FSO 01-143. / Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, FSO 01-143.
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Двое неизвестных в квартире Юлии Вознесенской и Владимира Окулова, на стене: художественные работы, 1970-е гг. / Zwei Unbekannte sitzen in Julia Wosnessenskajas und Wladimir Okulows Wohnung, an der Wand hinter ihnen hängen Kunstwerke, 1970er-Jahre.
Двое неизвестных на выставке в квартире Юлии Вознесенской и Владимира Окулова, 1970-е гг.
Zwei Unbekannte bei einer Ausstellung in Julia Wosnessenskajas und Wladimir Okulows Wohnung, 1970er-Jahre.
Из архивов Исследовательского центра Восточной Европы при Бременском университете, Бремен, FSO 01-143. / Archiv der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, FSO 01-143.
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«Там семинары были. Там на полу сидели, на подоконнике, … От сорока до двухсот примерно, каждая пятница.»

«Dort waren dann die Seminare. Wir saßen auf dem Boden, auf dem Fensterbrett, … So ungefähr vierzig bis zweihundert kamen jeden Freitag.»

Татьяна Горичева говорит о семинарах, организованных в среде андеграунда.

Tatjana Goritschewa spricht über Seminare im Underground.

Ольга Липовская / Olga Lipowskaja

«[...] в Сайгоне встречались все – фарцовщики, уголовники, диссиденты, мы, любители рока, актеры [...]».

«[...] im Saigon haben sich alle getroffen, Schieber, Verbrecherinnen, Dissidenten, wir, die Rock’n’Roll-Fans, Schauspielerinnen [...]».

Ольга Липовская, исследовательница-феминистка из Санкт-Петербурга, о ленинградском андеграунде и тусовках.

Olga Lipowskaja, Feminismus-Expertin, St. Petersburg, über die Treffpunkte des Leningrader Undergrounds.

Übersetzung

… es gab mehrere Orte für verschiedene Tusowkas, aber ins «Saigon» gingen alle. Das war an der Ecke von Wladimirskij und Newskij, wo jetzt das Radisson Royal ist. Genau dort an der Ecke war der Eingang. Das war eine langgestreckte Cafeteria mit vier bis fünf Kaffeemaschinen und vorne, bei der Garderobe, gab es eine Bar, wo man verschiedenen Alkohol bekam. Dort haben sich alle getroffen, Schieber, Verbrecherinnen, Dissidenten, wir, die Rock’n’Roll-Liebhaber*innen, Schauspielerinnen und andere. Ins «Saigon» kamen alle.
Der zweite Ort, an dem wurde vor allem gegessen. Das waren das «Hanoi» und das «Gastrit». Die sind dort, wo jetzt McDonald’s ist, also einen Block runter entlang des Newskij auf der linken Seite, wo jetzt McDonald’s ist. Dort gab es einfach eine sehr große Kantine. Dort lief man hin, um etwas zu essen wie Soljanka, Würstchen mit Püree, zwei Würstchen mit Püree und so weiter. Das kostete nur um die 40, 50 Kopeken. Dort hat man gegessen.
Dann gab es noch die «Akademitschka», eine universitäre Kantine auf der Wassiljewskij-Insel. Das ist bei der Kunstkammer, dort bei der kleinen Gasse der Kunstkammer. Und in diesem Teil des Gebäudes gab es eine große Kantine, wo die von der Universität hingingen: Dozent*innen, Student*innen und ihr Freund*innen. Dort wurde Bier verkauft. Es gab einen eigenen Saal für die Professor*innen, wo die Kellner*innen hin- und herliefen und Essen brachten. Und dann gab es noch den für uns Student*innen.
Es gab zwei Säle. Eine Kantine, wo man Essen kaufen konnte. Und einen Kiosk, wo man Bier kaufen konnte und anderes. Dort haben alle gefeiert: die von der Universität und deren Freund*innen. Ich habe dort auch gefeiert, weil ich an der Universität viele FreundInnen hatte.  Wir haben damals alle studiert, manche waren Freund*innen meiner Freundin in meinem Alter. Und noch flüchtige Freundschaften von der Uni, aber die waren Säufer*innen. Dabei war auch beispielsweise Nikolaj Tschernigowskij, der Sohn des Wissenschaftlers Tschernigowksij. Er war auch ein schlimmer Säufer, aber ein großer Intellektueller. Und sogar besoffen vergaß er nichts, sein Hirn funktionierte hervorragend. Unsere Partys waren eher intellektuell, Bohème.
Weiter gab es noch das «Rom» auf der Petrograder Seite, Metro «Petrogradskaja», dort ist eine große Promenade und dort am Ende, wenn man noch ein wenig entlang des Flusses geht, kommt man zu einem großen gläsernen einstöckigen Gebäude. Dort waren hauptsächlich Drogenabhängige, … drugs, Drogen. Dort waren vorwiegend die Drogenabhängigen und die Säufer*innen, aber das Publikum überschnitt sich abhängig von den Interessen. So konnten beispielsweise die Leute vom «Saigon» im «Rom» sein und in der «Akademitschka».
Im Hanoi waren alle, weil alle essen wollten. Und da gab es noch das «Ulster». Das «Ulster» war ein Angeber*innen-Ort. Das ist an der Ecke Marat-Straße und Nevskij. Das ist ein Lokal gleich neben der Metro, ein wenig die kleinen Stufen hinauf. Das war ein teures Еtablissement. Dort gab es eine Bar, Cognac, dort ein Zitronenscheibchen und da ein Kaviarbrötchen. Das «Ulster». Diejenigen von uns, die Geld hatten, konnten dort hingehen und angeben. Dort in der Nähe ist ein Geschäft, wo wir billigen Wein kauften, und Hauseingänge, wo wir tranken.
Ich hätte beinahe das Wichtigste vergessen: eben dort an der Ecke vom Nekrasov Prospekt und vom Litejnij Prospekt.
Dort ist jetzt irgendein Restaurant. Hier gab es damals ein Lokal, das Boris Grebentschikow eröffnet und erworben hatte. Es war eine Art Tanztreff. Es hieß «Abbey Road», Abtei-Straße, weil dort eine Kreuzung war und in die eine und in die andere Richtung Schilder mit der Schrift «Kreuzung» aufgehängt und ein Fußgängerübergang war. Wie auf der Beatles-Platte «Abbey Road». Dort haben wir uns getroffen. Dort war unsere Party. BG (Boris Grebentschikow), das ganze «Aquarium», die Freund*innen von «Aquarium» und Freund*innen aus dem Theater. Wenn wir nicht mit allen im Saigon auf einem Haufen hocken wollten, dann kamen wir hierher, denn unsere Party fand hier statt, im Abbey Road.